Vor zwei Jahren hat es uns in die Normandie verschlagen. Ganze zehn Stunden Fahrt sind es, wenn man von Darmstadt aus die Reise per Auto macht. Es geht sicher auch schneller, aber wir wollten nicht direkt dorthin, weil wir Brügge in Belgien kennenlernen wollten. Belgien gilt als Schokoladenland und allein das war Grund genug, um einen Abstecher dorthin zu machen.
Brügge war früher eine sehr kleine Siedlung, die sich mit der Zeit zu einem sehr wichtigen internationalen Handelshafen entwickelte. Länder wie Italien, Deutschland und Spanien unterhielten dort eigene Vertretungen und favorisierten somit die Brügges Entwicklung zu einem europäischen Zentrum. Antwerpen lief ihnen jedoch mit der Zeit den Rang ab, so dass Brügges Reichtum im 15. Jahrhundert begann und schon im 16. Jahrhundert endete.
Unsere kurze Stippvisite hat mir sehr gut gefallen, weil die Altstadt ganz viele und schön restaurierte Fachwerkbauten hat. Mich als kleiner, naja meine Familie würde mich jetzt sofort als Lügner bezeichnen, Schokoladenliebhaber, hat einen Laden entdeckt, welcher ganz auf meiner Linie war – Schokolade pur! Überall und ich wußte nicht wohin mit meinen Augen.
Nach mehreren Versuchen hat mich meine Familie letztendlich aus diesem Laden rausgetragen, weil ich sonst dort schlichtweg verschütt gegangen wäre.
Am nächsten Morgen ging es dann früh raus. Kurzen Stopp in Dunkerque, Kaffee und Croissants gegessen und die Hafenstadt angeschaut, die im 2. Weltkrieg Geschichte schrieb – Schlacht von Dünkirchen.
Wieder im Auto und ab gen Normandie in Richtung Honfleur, an Calais vorbei und über die Autobahn A28 Boulogne-sur-Mer, Abbeville und Le Havre gesehen. Die Verbindung von Le Havre nach Honfleur ist ganz bequem über eine Brücke erreichbar. Der Pont de Normandie ist die längste Hängebrücke Europas und wirklich sehr beeindruckend. Sie besitzt eine Spannweite von 856 m und ist 203 m hoch. Im Auto sitzend und die Brücke zu befahren, war unsererseits mit einem mulmigen Gefühl verbunden, weil der Seewind, welcher vom Atlantik in das Seinemündung blies, an diesem Tag eine Stärke hatte, die uns das Gefühl vermittelte vom Wind weggetragen zu werden. Auf der anderen Seite angekommen und sichtlich erleichtert, bogen wir von der Autobahn ab und fuhren nach Honfleur ein.
Honfleur ist eine sehr alte und kleine Hafenstadt und hat heute zirka 8000 Einwohner. Dort hatten wir über eine amerikanische Buchungsplattform ein Zimmer gemietet. Wunderschöne Bilder zum Hafen findet man zuhauf im Internet und ich will hier mit meinen Bildern nicht noch in Konkurrenz mit denjenigen treten, die es professioneller können als ich. Einfach übers Internet Honfleur eingeben und voila findet man wunderschöne Pics von diesem kleinen Hafenstädtchen. Interessanter fand ich Fundstücke der Art, die wer mich kennt, auch weiß warum ich sie jetzt hier zeige – Georgs gibt es überall, oder?
Am nächstem Morgen und bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir von Honfleur nach Trouville-sur-Mer. Hier haben wir einen Strand erlebt, der so viel Sand hatte, dass man viele Meter zurücklegen mußte, um überhaupt Wasser zu sehen.
Dieser sonnige Tag war wunderschön, aber das Wasser und die Außentemperatur ließ leider kein Bad zu. Barfuß durch den Sand zu laufen und den Sand zwischen den Zehen spürend, war aber wie immer ein Genuß. Nach einer Weile haben wir Hunger bekommen und sind ins Zentrum gefahren. Dort erwartete uns eine tolle Überraschung. Viele kleine Gourmetstände luden uns ein, dort zu verweilen.
Bei solch einer Präsentation konnten wir einfach nicht widerstehen. Frisch vom Meer und so präsentiert, konnten wir nicht anders und haben einen Krebs und ein paar Garnelen bestellt. Der Geschmack war geprägt von Frische und Meer – ein absolutes Genusserlebnis!
Nur einen Katzensprung entfernt liegt Deauville. Eine nach unserem Empfinden reiches Städtchen mit einem Kasino und wunderschön restaurierten Fachwerkhäusern. Hier ein paar Impressionen:
Deauville Deauville – Straßenlaterne
Auf dem Rückweg nach Honfleur wollten wir natürlich eine Sache nicht verpassen. Die Normandie ist schließlich bekannt für eine Spirituose, die ausschließlich aus den dort wachsenden Apfelbäumen hergestellt wird. Ja, genau! Der Calvados kommt aus der Normandie und ist als solcher weltbekannt. Glücklicherweise mussten wir nicht jeden Hersteller besuchen, weil es Calvados Experience gibt. Unsere Reise dorthin fand im Jahre 2018 statt und genau in diesem Jahr wurde die Calvados Experience ins Leben gerufen. Man stelle sich ein Gebäude vor, welches es sich zum Ziel gesetzt hat, Interessierten eine Möglichkeit zu geben, die Geschichte des Calvados und wie es hergestellt wird näherzubringen. Wir wurden herzlich empfangen, denn einerseits gibt es im März nicht so viele Touristen und andererseits ist dieses Gebäude genau in diesem Monat fertiggestellt worden. Sofort haben wir eine Tour gebucht und wurden sehr positiv überrascht. Als Gast durchläuft man hier verschiedene Räume, in denen von der Geschichte bis hin zur Herstellung alles genau erklärt wird. In jedem Raum wurden wir multimedial begleitet. Kleine Filme und Computersimulationen wurden hier und dort eingebunden, so dass wir am Ende erfuhren, dass dieses Destillat historisch gesehen schon im Jahre 1553 als „Eaue de Vie de Sydre“ bekannt wurde. Zunächst nur als preiswerter Bauernschnaps für den regionalen Gebrauch, wurde erst im Jahre 1942 Calvados sowohl namensrechtlich, als auch durch Festlegung von Herkunftsgrenzen geschützt. Interessanterweise ist laut Wikipedia Deutschland als wichtigster Markt mit zirka 2,2 Mio Flaschen aufgeführt.
Calvados entsteht durch frischen Apfelmost, welcher in einigen Wochen zu Cidre mit 5% vol vergärt. Nur 48 Apfelsorten sind für die Herstellung erlaubt. Normalerweise sollte folgende Apfelbeimischung erfolgen: 40 % süße Äpfel, 40% bittere Äpfel und 20% saure Äpfel. Der hergestellte Cider, anders als der zum sofortigen Verzehr produzierte, bleibt dieser noch ein bis zwei Jahre im Faß. Danach erfolgt ein zweistufiger Destillationsprozeß. Bei der ersten Stufe, welches auch „petit eau“ genannt wird, liegt der Rohbrand bei 25% vol. Danach wird er wieder gelagert und zum zweiten Mal destilliert. Es entsteht hiernach der Feinbrand, der bei 70 % vol liegt. Jetzt wird dieser Brand wieder zwei bis sechs Jahre in Eichen- oder Kastanienfässern verfeinert, je nach gusto des Herstellers. Erst jetzt, nach der gewünschten Reifezeit, verdünnt man den Brand auf Trinkstärke.
Das Alter beeinflußt den Geschmack maßgeblich, denn mit zunehmender Lagerdauer, wird der Calvados samtiger und aromatischer. Das Destillat präsentiert sich dann bernsteinfarben bis cognacbraun. Um zu erkennen, wie lange der Calvados im Faß gereift wurde, gibt es eine Standardnomenklatur: VO (viele reserve) steht für 4 Jahre Lagerung, VSOP steht für fünf Jahre und Napoleon oder X.O. für mindestens sechs Jahre.
Während der Führung durften wir keine Fotos machen, eigentlich schade, weil so eine multimediale Präsentation hat schon was! Ein Bild habe ich trotzdem gemacht und kann nur Besuchern der Normandie eine Führung wärmstens empfehlen.
Ein paar Tage später entschlossen wir uns, unsere Reise gen Camembert zu machen. Ja der Camembert kommt aus der Normandie und es gibt auch eine Stadt, die so heißt. Jedoch auf dem Weg dorthin machten wir eine kleine Pause in einer Stadt namens Livarot. Denn schließlich meldete sich unser Magen und naja ein kleiner Break schien uns ratsam. Kleine Boulangerie gefunden, Kaffee getrunken und ein Croissant eingeworfen. Wieder im Auto sahen wir eine Fromagerie namens E. Graindorge. Wir dachten uns cool, dann kaufen wir ein bißchen Käse und sind dann für das Abendessen versorgt. Überraschenderweise entdeckten wir, dass man auch als Gast eine Führung durch die kleine Fabrikhalle machen durfte. Das ließen wir uns nicht entgehen und konnten so einen Blick darauf werfen wie die regionalen Käse, auch Camembert, hergestellt werden.
Förderband und Maschinen zur Herstellung von Käse
Eine wahre Vielfalt und sehr interessante Informationen, die uns dort mitgeteilt wurden. Da wir ja nach Camembert fahren wollten, konzentriere ich mich auf diesen Weichkäse. Hierbei sollte man darauf achten, dass die Kennzeichnung AOP (Appellation d´Origine Protege) auf der Verpackung steht. Heißt, es handelt sich um Produkte, deren Rohstoff bis zum Endprodukt alle aus einer definierten Region stammen. Nur der aus der Normandie stammende Camembert darf Camembert de Normandie AOP genannt werden und muß mit Rohmilch aus der Region Normandie hergestellt worden sein. Alle anderen Camembert, die auf dem Markt zu finden sind, können dagegen einfach Camembert heißen. Letztere werden aus pasteurisierter Milch hergestellt.
Puristen und viele Spitzenköche favorisieren den Camembert aus der Normandie wegen seinem leicht scharfen und nussigem Geschmack. Reifer Camembert hat eine weiche und cremige Konsistenz. Letztendlich ist es ja so, dass am Ende immer der eigene Geschmack zählt. Die pasteurisierte Variante hätte den Vorteil, dass bestimmte Mikroorganismen und Keime abgetötet werden. Schwangere Frauen könnten dann auch einen Camembert essen, ohne sich viel Gedanken zu machen. Mir schmeckt eher der Camembert, der aus Rohmilch hergestellt wird, weil er eben einen eigenen Charakter hat. Ein frisches Baguette, eine Flasche sehr guten Rotweins und voila haben wir einen netten Abend
To be continued…